Die Geschichte der Wikinger
Die taktischen Vorteile der Wikingerschiffe
Der Schiffbau im Norden ist vermutlich ein zusätzliches wesentliches Element der taktischen Überlegenheit der Wikinger. Die Technik der Schiffbauer wird Klinkerbauweise genannt.
Die für die Wikingerzüge gebauten Schiffe waren das Ergebnis von mehr als 1000 Jahren Entwicklung auf nordischem Boden. Die Schiffbauer wollten leichte, elastische Schiffe bauen,
die sich Wind und Wellen anpassen und im Einklang mit den Elementen arbeiten würden, statt sich gegen sie zu stemmen. So wurde der Rumpf der Wikingerschiffe auf einem soliden Kiel gebaut,
der zusammen mit sanft geschwungenen Steven das Rückgrat des Rumpfes bildet.
Planke auf Planke wurde an Kiel und Steven angepasst und mit Hilfe von Eisennägeln aneinander befestigt. Diese Schale ist es, die dem Rumpf seine Geschmeidigkeit und Stärke verleiht.
Nachdem der Schiffbauer der Schale die gewünschte Form gegeben hatte, wurden Spanten aus natürlich gebogenem Holz angepasst, was zusätzliche Stärke und Widerstandskraft bedeutete.
Um die Flexibilität zu erhöhen, wurden Bordplanken und Spanten zusammengezurrt.
Querbalken in Höhe der Wasserlinie sorgten für eine Versteifung Querschiffs, und besonders solide Holzstämme stützten den Mast. Auf Fahrt segelten die Schiffe mit einem viereckigen Rahsegel am Mast mittschiffs. Bei Windstille oder bei nicht allzu starkem Gegenwind konnte die Mannschaft rudern.
Im Laufe der Wikingerzeit wurden mehrere Schiffstypen entwickelt. In der späten Wikingerzeit gab es Kriegsschiffe, gebaut für Geschwindigkeit und eine große Mannschaft sowie Handelsschiffe, bei denen die Geschwindigkeit eine geringere Rolle spielte und deren Rumpf geräumiger war,
um mehr Last aufnehmen zu können. Die Handelsschiffe hatten keine so große Mannschaft und waren eher zum Segeln als zum Rudern geeignet.
Ein bekannter schwedischer Archäologe hat geschrieben, die Wikingerschiffe seien die einzigen wirklich seegängigen Landungsfahrzeuge, die je von Invasionstruppen verwendet worden seien. Selbst in dieser übertriebenen Formulierung steckt viel von dem Geheimnis der militärischen Überlegenheit der Wikinger. Zahlreiche uns vorliegende Berichte über Wikingerangriffe scheinen diese These zu untermauern. Das Überraschungsmoment spielte eine große Rolle. Ein rascher Angriff vom Meer her mit Schiffen, die ohne Hafen auskamen und sich deshalb dort der Küste nähern konnten, wo man sie am wenigsten erwartete , und ein ebenso rascher Rückzug, bevor es zur Gegenoffensive kommen konnte; das war die Taktik.
Zwischen dänischen, schwedischen und norwegischen Wikingern bildeten sich Interessensphären heraus und zwar obwohl Gruppen aus allen drei Nationen häufig gemeinsam teilnahmen,
wenn berühmte Häuptlinge die Segel setzten. Die Schweden zogen meistens ostwärts und hatten die Kontrolle über die Wasserstraßen im Inneren Russlands und damit über die Handelswege nach Osten. Große Mengen arabischer Silbermünzen in schwedischen Funden erzählen von einem lebhaften Handel. Die Dänen zogen nach Süden nach Friesland, Frankreich und Südengland, während die Norweger sich nach Westen und Nordwesten begaben nach Nordengland, Schottland und Irland sowie zu den Orkneys, Shetlands und Färöern.
Die Schiffe waren nicht nur für Eroberungen und Handel unerlässlich, sie waren auch Voraussetzung für eine erfolgreiche Kolonisation, wenn ganze Familien mit all ihrer Habe und ihren Haustieren an Bord Kurs auf neues Land nahmen, wo sie sich niederlassen würden. Die gefahrvollen Fahrten über den Nordatlantik zu den Orkneys, Shetlands und Färöern sowie nach Island und Grönland bezeugen, dass die Schiffbauer der Wikingerzeit nicht nur schnelle Schiffe für Überfälle im Nordseeraum bauen konnten, sondern auch äußerst seetüchtige Schiffe. Die Kolonisation begann, wenn Seefahrer neues Land entdeckten, oder wenn Männer von ihren Handels- und Beutezügen heimkehrten und die Nachricht von den weit besseren Verhältnissen verbreiteten, die im Ausland herrschten.
In einigen Gegenden scheinen die Wikinger die ursprünglichen Einwohner vertrieben zu haben. In anderen, wie etwa in Nordengland, scheint das Hauptunternehmen der Nordleute Viehzucht gewesen zu sein, und sie nutzten Land, für das die ursprünglich dort ansässigen Getreidebauern nur wenig Verwendung gehabt hatten.
Diejenigen, die nach Island und Grönland fuhren, fanden jungfräulichen Boden vor.
Abgesehen von einigen wenigen irischen Mönchen auf Island "die die Insel aber schon bald verließen, weil sie keine Heiden zu Nachbarn haben wollten" scheinen Island und die Teile Grönlands, die von den Wikingern kolonisiert wurden, bei der Ankunft der Nordleute unbewohnt gewesen zu sein.
Zeitgenössische Aufzeichnungen über die Wikinger stammen größtenteils von Quellen in Westeuropa, die mit den Eindringlingen bittere Erfahrungen gemacht hatten. Es besteht daher kein Zweifel, daß es die schlechtesten Seiten der Wikinger sind, die uns hier präsentiert werden.
Archäologische Ausgrabungen sowohl im Heimatland der Wikinger als auch an den Orten, an denen sie sich niedergelassen hatten, geben dem Bild wesentlich mehr Nuancen.
Es gibt Funde von Siedlungen, Gehöften und Marktplätzen, wo verlegte oder beschädigte Gegenstände von einem einfachen täglichen Leben erzählen. Es gibt Spuren nach der Eisengewinnung in Gebirgsgegenden, wo Erz in den Sümpfen und genügend Wald die Grundlage für eine blühende Industrie legten. Steinbrüche, aus denen Speckstein für Töpfe oder auch besonders guter Wetzstein geholt wurde, wurden ebenfalls gefunden und analysiert.
In einigen günstigen Fällen haben wir in Gegenden, wo später nichts mehr angebaut wurde, altes Ackerland gefunden. Hier können wir die zu Haufen zusammengetragenen Steine sehen, die einst sorgfältig vom Acker aufgelesen worden sind und bei vorsichtiger Ausgrabung können sogar Furchen zum Vorschein kommen, die der Pflug des Wikingerbauern gezogen hat.
Städte und Staatsgründungen
Im Verlauf der Wikingerzeit veränderte sich die Gesellschaft. Führende Häuptlingsfamilien vermehrten ihren Landbesitz und ihre Macht und schufen damit die Voraussetzung für die Gründung von Staaten. Die ersten Städte entstehen, und von Staraja Ladoga und Kiew in Russland bis York und Dublin auf den britischen Inseln können wir uns eine Vorstellung vom Alltagsleben der Stadtbewohner machen. Marktplätze und Städte beruhten auf Handel und Handwerk, und obwohl die Stadt-Wikinger vermutlich Vieh besaßen und Landwirtschaft und Fischerei betrieben, um ihren eigenen häuslichen Bedarf zu decken, waren die Städte sicherlich auf Versorgung aus den umliegenden Regionen angewiesen.
In Südnorwegen liegt der Marktplatz in Kaupang bei Larvik. Er wird in Ottars Bericht an König Alfred erwähnt.
Kaupang war und blieb Marktplatz, während Birka am Mälarsee in Schweden und Hedeby an der deutsch-dänischen Grenze durchaus als Städte bezeichnet werden können.
Diese beiden wurden gegen Ende der Wikingerzeit von den Einwohnern verlassen, während Ribe in Südjütland wie natürlich York und Dublin noch heute blüht. In diesen Städten finden wir gut regulierte Gebiete mit deutlich festgelegten Grundstücksgrenzen, Straßen und die Stadt umgebenden Befestigungen. Es ist offenkundig, daß einige Städte geplant waren.
Viele wurden wohl auf Geheiß des Königs angelegt, wo er selbst oder die Männer seines Vertrauens über Stadtplanung und Grundstücksverteilung bestimmten.
Wir können sehen, daß der Müllentsorgung nicht die gleiche Aufmerksamkeit gewidmet wurde wie der Städteplanung. Wir finden dicke Schichten Abfall. Damals müssen Dreck und Gestank höchst unangenehm gewesen sein; heute finden wir Spuren des Alltagslebens von Handwerksabfällen bis hin zu Läusen und Flöhen. So können wir uns ein Bild davon machen, wie die Menschen damals gelebt haben. Wir finden Dinge, die von weither gekommen sein müssen wie etwa arabische Silbermünzen und Reste von Seidenstoffen aus Byzanz neben den Erzeugnissen einheimischer Schmiede, Schuhmacher und Kammmacher.